Neben seinem Gastblog zur Klärung dieser „trivialen“ Frage freuen wir uns auf Nico Rose am HR Inside Summit12./13. Oktober, Hofburg Wien.

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Diese Frage klingt zunächst trivial und würde von den meisten Menschen intuitiv sicherlich mit einem beherzten „Ja!“ beantwortet werden. Wissenschaftlich betrachtet ist das Thema allerdings nicht ganz so simpel. Die korrekte Antwort wäre ein beherztes „Jein!“. Warum ist das so?

Jeder Mensch hat eine Art Null-Linie, zu der das subjektive Glücksgefühl unter normalen Umständen nach Ausschlägen in beide Richtungen wieder zurückkehrt. Der Grund: Wie glücklich wir an den meisten Tagen sind, ist zum einem guten Teil von unseren Genen abhängig. So hat man herausgefunden, dass ein millionenschwerer Lottogewinn Menschen für einige Monate einen Glückskick gibt, aber spätestens nach ein bis zwei Jahren sind ihre Werte wieder ungefähr auf dem Niveau wie zu der Zeit vor dem Sechser. Gottseidank funktioniert das auch in umgekehrter Richtung: Beispielsweise verlieren Menschen, die durch einen Unfall querschnittsgelähmt werden, temporär deutlich an subjektivem Wohlbefinden. Doch wir verfügen über eine Art „psychisches Immunsystem“. Ebenso wie die Lottokönige kehren die meisten nach Ablauf einer Karenzphase wieder dorthin zurück, wo sie schon vor dem Unfall waren.

Warum Pygmäen so selten in die Hall of Fame der NBA kommen

Was genau hat es auf sich mit dem genetischen Einfluss? Übertragen wir das einmal auf einen etwas greifbareren Bereich: die Körpergröße, diese ist ebenfalls stark genetisch determiniert. Wenn Ihre Eltern nun dem Stamme der Pygmäen entsprossen sind und Sie mit 1,60 m (als Mann) auch eher ein Sitzriese sind, dann ist es durchaus möglich, aber doch unwahrscheinlich, dass Sie einmal erfolgreich in der NBA Basketball spielen werden. Dass dies dennoch funktionieren kann, hat von 1987 bis 2001 Muggsy Bogues bewiesen, der bei genau jener Körpergröße viele Jahre sehr erfolgreich für verschiedene Teams gespielt hat. Wahrscheinlich hat der gute Muggsy einfach deutlich härter trainiert oder war mit einer überdurchschnittlichen Spielintelligenz gesegnet. Jedenfalls ist er bis heute der kleinste Spieler, der erfolgreich in der NBA agieren konnte – während es viele, weitaus weniger talentierte, aber überdurchschnittlich große Spieler gibt, die ebenso bedeutende Karrieren hatten und haben.

Rückübertragen auf das Thema Glück bedeutet das: Wenn Sie mit einer genetischen Hypothek das Licht dieser Welt erblickt haben, ist es sehr gut möglich, dass Sie ein langes und glückliches Leben führen werden – Sie müssen jedoch mehr dafür tun, als alle Sonntagskinder dieser Erde.

Sisyphos und das hedonische Hamsterrad

Es wird allerdings noch komplizierter. Nicht genug, dass unsere Gene zu einem guten Teil vorgeben, wie glücklich wir werden (können). Menschen haben – wie bereits angedeutet – die Fähigkeit, sich schnell an neue Umstände anzupassen. Diese hohe Anpassungsfähigkeit ist eines der Merkmale, welches uns als Spezies so erfolgreich macht. Sie hilft uns, mit widrigen oder einfach komplett neuen Lebensumständen klarzukommen.

Das Problem: Wir gewöhnen uns eben auch schnell an all das Gute und Schöne im Leben. Leisten wir uns etwas Tolles, zum Beispiel ein neues Auto, dann erfreuen wir uns sicherlich eine Zeit lang daran, doch ähnlich wie beim Lottogewinn tritt nach kurzer Zeit der Gewöhnungseffekt ein. Glückforscher nennen diesen Effekt „hedonische Tretmühle“. Wir strampeln und bemühen uns nach Kräften, kommen aber nicht wirklich voran – ähnlich wie im Mythos von Sisyphos. Unsere Glückkugel rollt zwar nicht auf der anderen Seite des Berges wieder hinunter. Doch verdrängen wir mit der Zeit die Tatsache des Aufstiegs und machen uns alsbald auf die Suche nach weiteren Gipfeln. Konkret besteht also immer die Gefahr, dass das höhere Glücksniveau zum neuen Nullpunkt wird. Wir sind dann theoretisch glücklicher – merken aber praktisch nichts davon.

Und wenn ich doch glücklich(er) werden will?

In meinen Vorträgen zum Thema Positive Psychologie sage ich gerne Folgendes:

„Sie können von mir aus alles vergessen, was ich heute erzählt habe – aber merken Sie sich bitte das Folgende: Glück ist kein Zustand, sondern eine Angewohnheit. Glück ist etwas, was wir täglich tun (müssen).“

Was bedeutet das? Mit unseren Genen müssen nach Sachlage einfach leben. Zwar hat man jüngst einige wenige Gensequenzen gefunden, die mit hohem bzw. niedrigem Glücksempfinden in Zusammenhang stehen sollen. Aber so lange wir keinen direkten Einfluss auf diese Blaupausen nehmen können, ist dieses Wissen für Otto Normalverbraucher eher irrelevant.

Anders sieht es mit der hedonischen Tretmühle aus, diese können wir ein Stück weit aushebeln. Der einfachste Schlüssel zum regelmäßigen Glücksgefühl heißt: Dankbarkeit. Das klingt vermutlich etwas esoterisch, ist aber eine wissenschaftlich sehr gut belegte Tatsache. Dankbarkeit ist nichts anderes als die (bewusste) Fokussierung unserer Aufmerksamkeit auf die positiven Dinge in unserem Leben. Wenn wir dankbar sind, schauen wir nicht darauf, was noch fehlt, sondern das, was schon da und gelungen ist. In der Rückschau können wir oft sogar negativen Erlebnissen etwas Gutes abgewinnen. Genau diese bewusste Steuerung des Blickwinkels ist der Schlüssel zum Ausstieg aus der Tretmühle.

What went well? (www)

Die Amerikaner sind ja zumeist etwas geschickter darin, wissenschaftliche Erkenntnisse zu vermarkten. Das gilt auch für die Glückforschung. Wenn Ihnen „sich in Dankbarkeit üben“ zu schwurbelig klingt, dann nennen Sie das Ganze einfach www: What went well? Eine simple und doch sehr effektive Art und Weise, sich in Dankbarkeit zu üben, ist regelmäßig aufzuschreiben, was in unserem Leben gerade gut gelaufen ist. Am einfachsten legen Sie sich dafür eine kleine Kladde auf den Nachttisch. Etwa jeden zweiten Tag lassen Sie vor dem Einschlafen kurz den Tag Revue passieren. Und dann schreiben Sie stichpunktartig drei Aspekte auf, die an dem betreffenden Tag positiv waren, die Sie erfreut haben, die Ihnen ein kleines Glück beschert haben. Das können große Dinge sein („Ich habe heute auf der Arbeit ein wichtiges Projekt erfolgreich zuende gebracht“), aber natürlich auch die kleinen, stillen Freuden („Den ganzen Tag war Scheiß-Wetter, aber einmal ist kurz die Sonne rausgekommen – das fand ich schön“).

Diese Technik wird Sie „im Moment“ glücklicher machen, hat aber nachgewiesenermaßen auch eine Langzeitwirkung auf unser Glücksempfinden. Vermutlich trainieren wir durch das nachträgliche Aufschreiben unsere Wahrnehmung, so dass wir nach und nach immer besser verstehen, was uns wirklich glücklich macht und es außerdem schon in dem Moment erkennen, wenn es passiert – und nicht erst in der Rückschau.

Der Text ist ein gekürzter und überarbeiteter Auszug aus dem Buch Lizenz zur Zufriedenheit: Positive Psychologie in der Praxis.

Über den Autor:

rose_500x500Nico Rose ist Diplom-Psychologe (WWU Münster) und hat seine Doktorarbeit in BWL verfasst (WHU Vallendar und EBS Oestrich-Winkel), um sich breiter aufzustellen. 2013/14 absolvierte er zusätzlich den Studiengang „Master of Applied Positive Psychology“ (University of Pennsylvania, direkt beim Begründer der Positiven Psychologie, Martin Seligman).
Erste berufliche Erfahrungen sammelte er im Bereich Corporate HR von L´ORÉAL Deutschland. Nach zwei Jahren als Doktorand an der EBS Business School hat er sich parallel zur Gründung in seiner Coaching-Praxis für eine Unternehmensberatung mit Fokus auf CRM gearbeitet. Derzeit ist Nico neben EXCELLIS bei Bertelsmann als „Senior Director Corporate Management Development“ angestellt. Seit 2011 ist er außerdem Dozent an der International School of Management (ISM) in Dortmund.