Industrie 4.0 ist kein rein technologisches Thema, sondern hat weitreichende Auswirkungen auf die Arbeitswelt und Gesellschaft.

Eine Fülle von Studien widmet sich der Frage, wie sich die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung auf das Beschäftigungsangebot auswirken wird. Vor allem das von Frey/Osborne (2013) entwickelte Szenario, demnach rund 47% der Beschäftigten in den USA in Berufen arbeiten, die innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Automatisierung substituiert werden könnten, wird öffentlich prominent diskutiert. Bonin et al. (2015) haben diese Studie auf Deutschland adaptiert und einen Wert von 42% errechnet, weisen jedoch deutlich darauf hin, dass dies nicht mit dem Verlust von 42% der Arbeitsplätze gleichzusetzen ist, sondern sich auf einzelne Tätigkeiten bezieht, die automatisierbar sind. Bezogen auf Arbeitsplätze ergeben sich laut Bonin et al. (2015) rund 12%, die mit hoher Wahrscheinlichkeit automatisierbar sind. Diese Arbeitsplätze umfassen jedoch auch Tätigkeiten, die schwer durch Automatisierung substituierbar sind, was darauf hindeutet, dass es zu keinem vollständigen Verlust dieser Arbeitsplätze kommen wird. Bonin et al. weist auch darauf hin, dass die technischen Potentiale überschätzt werden könnten.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Arntz et al. (2016), die im Zuge einer Studie im Auftrag der OECD den Automatisierungsgrad der Arbeitsplätze in Österreich mit 12% prognostiziert. Um die Substituierbarkeit detaillierter für Österreich abzuschätzen, orientieren sich Nagl et al. (2017) an der Studie von Bonin et al. und zeigen, dass insgesamt 9,8% der Beschäftigten bzw. 402.000 Personen ein Tätigkeitsprofil aufweisen, das ein hohes Potenzial (>70%) hat, durch Maschinen ersetzt zu werden. Nach Beschäftigungsvolumen sind 8,9% der Arbeitsstunden bzw. 337.000 Vollzeitäquivalente betroffen. Ein besonders hohes Automatisierungsrisiko haben Hilfsarbeitskräfte, MaschinenbedienerInnen, Personen in Dienstleistungsberufen und Bürokräfte. AkademikerInnen und Führungskräfte sind am geringsten betroffen. Nagl. Et al. (2017) und Pfeiffer/ Supahn (2015) weisen darauf hin, dass auch wenn weitere Automatisierungspotentiale möglich sind, die Umsetzung nicht notwendigerweise wirtschaftlich sinnvoll ist. Zudem wird auch Erfahrungswissen seitens der Arbeitskräfte mit hoher Relevanz für die industrielle Produktion, das nicht von Industrie 4.0 Technologien ersetzt werden kann, nicht ausreichend berücksichtigt.

Vogler-Ludwig et al. (2016) gehen in ihrem Szenario der beschleunigten Digitalisierung davon aus, dass den Gefährdungspotentialen durch die Digitalisierung stärkere Nachfragepotentiale gegenüberstehen, die mehr Arbeitsplätze schaffen als durch Rationalisierungseffekte entfallen. Nach der Modellrechnung führt dieses Szenario der Digitalisierung zu höheren Einkommen, mehr Beschäftigung und höherer Produktivität. Eine Studie der Bitkom und Prognos AG (2013) geht von einer leicht positiven Auswirkung der Digitalisierung auf die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland aus, während eine Szenario Rechnung des IAB (2015) mit einem minimalen Verlust rechnet. Die Studienergebnisse des IAB (2015) zeigen zudem, dass Industrie 4.0 den Strukturwandel hin zu mehr Dienstleistungen beschleunigen wird. Dabei sind Arbeitskräftebewegungen zwischen Branchen und Berufen verhältnismäßig weit größer als die Auswirkungen auf die Zahl der Beschäftigten. Zudem wird aufgrund von prognostizierten volkswirtschaftlichen Gewinnen und höheren Anforderungen an die Arbeitskräfte auf einen Anstieg der Löhne geschlossen.

Die Anwendung von Industrie 4.0 Technologien ermöglicht es, stark individualisierte Produkte zu geringen Stückpreisen herzustellen, was durch traditionelle Produktionsprozesse bisher wirtschaftlich nicht realisierbar war. Fortgeschrittene Robotik in Verbindung mit additiven Fertigungsverfahren (3D-Druck) erlauben es kostengünstig Fertigungsprozesse zu vollziehen, die bisher nur manuell möglich waren und aus Lohnkostengründen in Niedriglohnländer ausgelagert wurden (vgl. Wischmann 2015). Industrie 4.0 ermöglicht eine starke Flexibilisierung der Produktion und damit die Möglichkeit, die Entwicklung und Herstellung von Gütern stärker auf den Nachfrageort zu verlagern. Durch die größere Unabhängigkeit von ausländischen Importen und die Möglichkeit hochqualitativ und dennoch kostengünstig vor Ort zu produzieren, erlauben, dass die Wertschöpfung der gesamten industriellen Produktion wieder verstärkt regional erfolgen kann. Damit können sich zusätzliche positive Beschäftigungseffekte ergeben, die in den aktuellen Diskussionen um die Veränderung des Arbeitsmarktes nicht berücksichtig werden (Apt et al. 2016: 50).

Bei der Bilanzierung der Arbeitsmarkteffekte von Industrie 4.0 sollten zudem die positiven Beschäftigungs- und Produktivitätseffekte neuer Geschäftsmodelle, die durch Industrie 4.0 Technologien ermöglicht werden, mit einbezogen werden. Insgesamt kann aber keine verlässliche Prognose erstellt werden, ob die Arbeitsplatzverluste durch Industrie 4.0 die dadurch neu geschaffenen Arbeitsplätze überwiegen (Schröder 2016: 13). Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich Tätigkeiten und Berufsfelder verändern werden, was eine Umschichtung des Arbeitskräftebedarfes zur Folge haben wird.

Der Automatisierungsgrad der österreichischen Produktion ist bereits heute weit vorangeschritten, gleichzeitig nimmt die Zahl der unselbstständig Beschäftigten stetig zu (Statistik Austria). Österreichische Unternehmen, die verstärkt auf Industrie 4.0 Technologien setzten, haben bessere Chancen international erfolgreich zu sein und tragen zur Attraktivität des Standortes Österreich und Sicherung von Arbeitsplätzen bei.

Die zahlreichen Studienergebnisse verdeutlichen, dass sich die menschenleere Fabrik nicht durchsetzen wird. Allumfassende Automatisierung stößt bei der im globalen Wettbewerb geforderten hohen Individualität, Qualität und Komplexität an ihre Grenzen. Innovative Produktionssysteme und fortgeschrittene Automatisierung lassen sich ohne die Einbindung von Menschen nicht umsetzen. Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird daher nicht zu einem Konkurrenzkampf Mensch gegen Maschine führen, sondern wirft die Frage nach der bestmöglichen Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine auf.

Über den Autor

Der Text ist ein Auszug aus einem Thesenpapier des Vereins „Industrie 4.0 Österreich – die Plattform für intelligente Produktion“. Roland Sommer (Geschäftsführer) und Paul Trompisch (Referent) widmen sich im Thesenpapier „Arbeitsorganisation der Arbeitsgruppe Mensch in der digitalen Fabrik“ den komplexen Transformationsprozessen der Digitalisierung.

DI Roland Sommer, Geschäftsführung