Das Recruiting ist in Bewegung und es ist kaum möglich, alle Trends und Veränderungen im Blick zu haben. Carsten Tabatt, Projektleiter des Digital-Recruiter.com, einer auf Video-Tutorials basierenden Online-Weiterbildung für Recruiter, spricht im Interview über die neue Rolle des Recruiters, Digitalisierung und die Zukunft der Branche.

 

Das Recruiting ist möglicherweise der Bereich der Personalarbeit, der sich in den vergangenen Jahren am stärksten gewandelt hat. Welche Ursache hat diese Dynamik?

Carsten Tabatt: Zweifelsfrei hat sich die Komplexität im Recruiting verändert. Je ausgeprägter die Arbeitsteilung in einer Gesellschaft ist, desto höher sind die Anforderungen an ein modernes Recruiting. Wir setzen heute zunehmend auf Spezialisierung. Die Digitalisierung und die neuen Technologien haben zusätzlich spezialisierte Geschäftsmodelle und Unternehmen hervorgebracht. Deren Mitarbeiter operieren dabei immer arbeitsteiliger und die gesuchten Qualifikationen bilden immer tiefere Spezialisierungen ab. Hinzu kommt die Internationalisierung, also das Arbeiten und Rekrutieren über Ländergrenzen hinweg. Diese Entwicklungen – die Arbeitsteilung, die Digitalisierung und die Internationalisierung – sorgen dafür, dass das Recruiting heute so komplex und spannend ist.

 

Wie hat sich die Rolle des Recruiters verändert?

Carsten Tabatt: Unternehmen müssen sich heute bei Kandidaten bewerben – nicht umgekehrt, und ohne Active Sourcing bekomme ich keine Spezialisten mehr ins Boot. Das verändert die Rolle der Recruiter massiv. Gerade in Österreich gibt es viele erfolgreiche Mittelständler und spezialisierte Zulieferer, die ihre potenziellen Mitarbeiter weder mit einer bekannten Marke noch mit überdurchschnittlich hohen Gehältern locken können. Vor diesem Hintergrund spielt Employer Branding eine wichtige Rolle – Unternehmen und Recruiter müssen lernen, wie man sich im Netz sichtbar und attraktiv macht. Zudem bringt die Digitalisierung in rasender Geschwindigkeit neue Tools und Lösungen hervor, die den Recruitingmarkt verändern. Ich meine damit nicht nur immer bessere Bewerbermanagementsysteme, sondern vor allem die komplexen Algorithmen der intelligenten Suchmaschinen. Es ist sehr schwer hier am Ball zu bleiben, und es gibt wenig Wegweiser.

 

Wird das Recruiting der Zukunft ausschließlich digital sein?

Carsten Tabatt: Das glaube ich nicht. Aber Aufgaben und Handwerkszeug der Recruiter verändern sich durch die Digitalisierung schon sehr stark. Früher stand primär die zwischenmenschliche Kommunikation im Vordergrund, heute ist es ein Mix aus IT-Skills, Wissen über Onlinemarketing und Kompetenzen im Networking. Dabei werden persönliche Kontakte sicherlich weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Auf Fachveranstaltungen, auf Kongressen aber auch im täglichen operativen Geschäft, wird der Recruiter ohne kommunikatives Geschick und Empathie wahrscheinlich nicht sehr weit kommen.

 

Welche Tools und Kanäle gewinnen im Recruiting an Bedeutung?

Carsten Tabatt: Wir beobachten eine Veränderung der Kanäle und Netzwerke, auf denen Kandidaten rekrutiert werden: Früher hatten wir nur die Stellenausschreibungen, dann kamen die Lebenslaufdatenbanken, der nächste Schritt waren Karrierenetzwerke wie XING oder LinkedIn, die im Hinblick auf die Such- und Filtermöglichkeiten im Laufe der Zeit immer besser wurden, und deren Stellenwert nach wie vor sehr hoch ist. Aktuell geht der Trend in die Richtung, Kandidaten auf Netzwerken zu finden, die primär nichts mehr mit Beruf und Karriere zu tun haben. Ich denke dabei zum Beispiel an Stackoverflow und Facebook.

Mehr zu Digital-Recruiter.com am HR Inside Summit 2018.

Über die Autorin:

Bettina Geuenich ist Chefredakteurin des „personal manager“, Österreichs führender Fachzeitschrift für das Human Resource Management, sowie des Netzwerkportals HRM.at.