Unternehmensrebellen? Hört sich ja toll an! Aber warum sollte ein Chef, der noch ganz bei Trost ist, den Störenfrieden eine Bühne bereiten?

Und Worte wie Quertreiber, Störenfriede, Querulanten oder Rebellen verraten eine Abwehrreaktion, die in vielen Unternehmen verbreitet ist: Das sind unbequeme Geister, die den normalen Betrieb stören und sich auch noch anmaßen, beispielsweise die Sinnhaftigkeit einer Corporate Policy zu hinterfragen.

Ein solches Verhalten ist allenfalls in Stellenanzeigen erwünscht. Der „normale Betrieb“ sieht so etwas nicht vor. Schon klar, die Meinung der Mitarbeiter wird in gelegentlichen Zufriedenheitsbefragungen ermittelt. Ja, und hin und wieder gibt es auch unternehmensweite Aufrufe, neue Ideen einzureichen. Ja, natürlich. Aber der normale betriebliche Alltag besteht aus Ausführen, Umsetzen und Funktionieren. Und bitte bloß nicht die herrschende Ordnung infrage stellen!

Und natürlich heben Menschen, die jahrzehntelang entsprechend sozialisiert wurden, auch dann nicht die Hand, wenn ausdrücklich um ihre Meinung gebeten wird. Sie sind ja nicht dämlich! Diejenigen, die dennoch mutig genug sind, eine Meinung zu vertreten, die der Norm, der Masse, der Routine und der Regel widerstrebt, werden dabei oft verbrannt. Werden entmutigt. Resignieren irgendwann.

Und das stinkt mir zunehmend!

 

Ich höre diese Geschichten immer wieder. Und ich bekomme immer wieder mit, wie gute Mitarbeiter lieber den Mund halten und ihre Ideen, ihre Vorschläge, ihre konstruktive Kritik zurückhalten. Und mir geht das mehr und mehr auf den Geist. Ich finde, dass es allerhöchste Zeit ist, diesen Menschen Gehör zu verschaffen.

Ich nenne solche Menschen: Unternehmensrebellen. Rebels at Work!

 

Ihr Ziel ist es nicht, Randale zu machen oder als Krawallmacher, Dauerdemonstrierer und Ich-bin-aus-Prinzip-dagegen-Typen möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich meine auch nicht die extrem nervigen Dauerdiskutierer, deren langatmig vorgetragene Einwände mehr durch Naivität als durch Intelligenz glänzen.

Worum es mir geht, sind Menschen mit provokativer Kompetenz. Sind die Abweichler, deren Ideen die Gestaltung des Neuen vorantreiben. Ich meine diejenigen, die einen substanziellen Beitrag dazu leisten wollen, dass ihr Unternehmen heute und in Zukunft besser wird. Schneller wird. Innovativer wird. Diese Menschen sind weder Sonderfall noch lästige Störung, sondern vielmehr wichtige Geburtshelfer des Neuen. Denn das Neue kommt als Widerspruch zur Normalität zur Welt, und Widerspruch ist auch das Wesen der Innovation.

So gesehen, ist ein Unternehmensrebell ein wertvoller kritischer Geist, ein produktiver Querdenker und ein mutiger Veränderer.

 

Und solche Typen brauchen wir dringender denn je! Und zwar aus drei Gründen:

  1. WIR BRAUCHEN MEHR MITARBEITER-ENGAGEMENT!

Der Gallup Engagement Index dokumentiert seit Jahren den traurigen Zustand, dass nur 12 Prozent der Mitarbeiter in Österreich mit sehr hohem Engagement dabei sind. Wie frustrierend! Führungsteams suchen verzweifelt nach den Gründen. Aber ich finde, dass ein ganz wichtiger Grund auf der Hand liegt: Was ich immer wieder in meinen Gesprächen mit Mitarbeitern höre, ist, dass Menschen, die glauben kein zu Gehör finden oder die glauben, dass ihre Vorschläge nicht respektiert werden, irgendwann innerlich kündigen.

Was für ein Wahnsinn, dass die meisten Organisationen mehr menschliches Potenzial verschwenden als sie tatsächlich nutzen.

  1. WIR BRAUCHEN EINE NACHHALTIGE INNOVATIONSKULTUR!

Neue Ideen nehmen keine Rücksicht auf Hierarchien, Organisationsstrukturen oder den Kalender des Vorstands. Nichts gegen den gelegentlichen Innovationswettbewerb oder den Hackathon. Solche Initiativen können aber nur ein Anstoß, ein Zündfunke sein. Wer eine nachhaltige Innovationskultur schaffen will, muss allen die Werkzeuge und Methoden zur Verfügung stellen, um Ideen zu entwickeln und dafür sorgen, dass diese auch Gehör finden, aufgenommen und weitergeführt werden.

Menschen mit neuen Ideen, kritischen Anregungen und Änderungsvorschlägen dürfen nicht als Störenfriede gebrandmarkt werden, sondern müssen als wichtiges „Warnsystem“ für das Unternehmen verstanden und wertgeschätzt werden, die deutliche Hinweise darauf liefern, dass die aktuellen Strukturen möglicherweise eine erhebliche Neuausrichtung benötigen. Sie liefern einen wichtigen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

  1. WIR BRAUCHEN KEIN SO-LÄUFT-DAS-HIER-NUNMAL!

Natürlich, Führungskräfte hegen möglicherweise die Befürchtung, dass solche Unternehmensrebellen sich zu Widerstandsnestern zusammenschließen und damit den Betriebsfrieden nachhaltig stören könnten. Aber die Realität ist, dass diese Rebellen bereits in den Werkshallen, Büros und Amtstuben rumlaufen! Sie sind sowieso da! Und sie werden immer unzufriedener. Viele von ihnen haben das Potenzial, positive Kräfte für ihre Organisation zu werden. Aber wenn sie ignoriert oder marginalisiert werden, hält sie das nicht nur davon ab, mitzudenken und den Status quo zu hinterfragen, es verhindert zugleich, dass sie überhaupt Neues wagen. Auf diese Weise wird ein System aufgebaut, wo alles Neue, das von der geltenden Norm abweicht, im Keim erstickt wird.

 

Das Problem ist: Positive Abweichler zu fördern, ist die schwerste Entscheidung für eine Organisation, weil diese Menschen die heilige Ordnung stören. Auf Leisetreter und Ballflachhalter zu setzen, ist deshalb in so mancher Organisation die vermeintlich bessere Wahl.

Was für ein Wahnsinn! Wer heute nichts hinterfragt und nichts Neues wagt, wird morgen garantiert scheitern, denn die Spielregeln werden nicht mehr die alten sein. Deshalb sollten Organisationen diese Rebellen wertschätzen. Sie sollten ihre Kraft, ihre Ideen und ihren Mut nutzen.

Der konstruktive Widerspruch sollte nicht das letzte, sondern das erste sein, was begrüßt und gefördert wird.

Sei ein Rebell!

 

Über den Autor:

Dr. Peter Kreuz gehört zu einer neuen Generation von europäischen Managementvordenkern und ist Autor mehrerer SPIEGEL-, Manager Magazin- und Handelsblatt Bestseller. Mit seiner Community „Rebels at Work“ bringt er Menschen zusammen, die über Grenzen hinweg denken, den Status Quo hinterfragen und andere von ihren Ideen überzeugen.

Peter Kreuz hält die Eröffnungskeynote beim HR INSIDE SUMMIT am 10. Oktober 2018.

www.foerster-kreuz.com