Zuallererst eine kurze Begriffsdefinition. Was ist denn dieses Ego und warum soll man es überhaupt brechen?

Das Ego ist eine Rolle. Diese Rolle trägt den Namen, den du für dein Leben bekommen hast. Das, was jeder als “Ich” empfindet. In diesem “Ich” sammeln wir Informationen, formen wir unser Selbstkonzept, das Bild, das wir von uns selbst haben und haben möchten. Das heißt, wir fassen zusammen, was wir glauben was wir sind. In Wirklichkeit beschreiben wir aber nur das, was wir uns über die Jahre als Selbstkonzept zusammengezimmert haben.

 

Warum entwickeln überhaupt ein Ego? 

Das Ego bietet Schutz vor Angriffen. Habe ich ein Konzept von mir selbst und dazugehörige Strategien, es zu verteidigen und damit umzugehen erfahre ich Identifikation. Ich habe eine Idee, wer ich bin und wer ich nicht bin und das gibt mir Orientierung im Leben und macht mich stabiler gegenüber Angriffen. Je schärfer ich dieses Ego an den Ecken schneide, umso klarer wird mir wer ich bin und wer ich nicht bin.

Der Nachteil des Selbstkonzeptes ist die Definition meiner Selbst. Ich beschränke mich wie durch jede Definition. In Definition steckt nämlich das lateinische Wort “finis”, das Ende. Eine Definition setzt einem Begriff ein Ende und damit eine Trennschärfe zu anderen Begriffen. So setzt ein Selbstkonzept genau mir selbst auch ein Grenze zu anderen Personen. Vorteil ist, es gibt mir Orientierung, Nachteil ist, es beschränkt mich völlig. Habe ich also die Idee, beispielsweise ein introvertierter Mensch zu sein, dann gibt mir das Identifikation, es beschränkt mich aber auch völlig Punkt denn allein dieser Glaubenssatz lässt mich diese Introversion jeden Tag leben und wahr werden.

 

Egos auf Führungsebene.

Der Unterschied zu den meisten Egos ist auf der Führungsebene die bewußte Konstruktion der Rolle Ego. Das Selbstkonzept der meisten Menschen entwickelt sich automatisch und nicht gesteuert. Es wird durch den Kontext vorgegeben. Das heißt, dass ich in einem gewissen Kontext automatisch, ohne es zu wissen – also unbewusst – eine Rolle übernehme. Kontext Beruf – berufliche Rolle. Kontext Mutter – Rolle Kind.

Hohe Führungskräfte beginnen ihre Ego-Rolle bestimmt und bewusst zu formen. Damit meine ich, dass Personen sich sehr bewusst in einer Art und Weise verhalten, um etwas zu erreichen.

Wenn ich jetzt beginne, bewusst meine Rolle zu formen ist die Frage, welche Rolle zu beruflichem Aufstieg führt.

Die Antwort ist je nach Kultur und Organisationsstruktur unterschiedlich. In Westeuropa ist es subtiles Dominanzverhalten. Je höher man in Hierarchien geht, desto häufiger trifft man auf dieses.

Eines von vielen  Zeichen dieser Ego Rolle, dieses Dominanzverhaltens, sind Brüche der ungeschriebenen Interaktionsregeln. Normalerweise gibt es klare intonative und nonverbale Signale, wann z.b. mein eigener Sprachfluss endet und die andere Person etwas sagen soll. Diese Signale werden von dem großen Dominanz-Ego bewusst ignoriert, wodurch der intuitive und vertraute Fluss des Gesprächs gestört wird. Die Reaktion des Gegenübers ist Stress. In diesem Stress wird die kognitive Fähigkeit, die Situation einzuschätzen reduziert und unkluges Verhalten wahrscheinlicher.

Das gegenüber der dominanten Person verlässt dann das Meeting und ärgert sich über sich selbst: “Normalerweise habe ich doch eine Antwort auf das und jenes.”, “Normalerweise agiere ich doch ganz anders. Warum hier nicht?”

Die Antwort ist: “Stress, der von deinem Gegenüber bewusst subtil ausgelöst wird, um deine Stärken zu schwächen und dich vor Gruppe oder im 2er Gespräch zu unterwerfen. Und das ganze noch mit einem Lächeln.”

 

Wie brichst du nun zu große Egos?

Der erste Schritt ist Bewusstheit. Du wirst dir bewusst, was der andere für Strategien verwendet um dich zu verunsichern. Du gestehst dir ein, dass du in ein Angstmuster gekommen bist. Aus dieser Bewusstheit heraus kommst du auf die Metaebene. Du kannst dich also selbst von oben betrachten, und dich fragen was da gerade passiert. Das alles funktioniert natürlich nicht beim ersten Mal, sondern nur durch Wiederholung und Training.

Im zweiten Schritt zeigst du deinem Gegenüber, dass du ganz bewusst verstehst, welches Spiel hier gespielt wird. Das tust du mit einem langen Blick in die Augen und Schweigen in einer Sekunde, wo etwas gesagt werden sollte beispielsweise. Nachdem dein Gegenüber versteht, dass du dir der Rolle bewusst bist, und das Spiel verstehst, nimmt dich dein Gegenüber auf Augenhöhe wahr. Das resultiert in einem Strategiewechsel. Plötzlich wird es nicht mehr um offensichtliche Unterwerfung gehen, sondern es werden andere Strategien, je nach Situation zur Anwendung kommen und das Ego der Dominanz wird zurücktreten.

Zusammenfassend ist die Kunst, das was andere als real empfinden als das Spiel zu sehen, das es auch ist. Und ihr wisst alle welche Spiele wir gerne spielen. Wir spielen gerne Spiele, wo wir gut sind und mögen Spiele nicht, wo wir schlecht sind. Deswegen freunde dich mit dem Spiel an, du wirst gut werden… und dann wirst du das Spiel genießen.

 

Über den Autor:

 

Nach dem Studium der klinischen Psychologie wandert Sebastian nach Lateinamerika aus, wo er in einem peruanischen Gefängnis arbeitet und später in Kolumbien Guerilla-Krieger resozialisiert. Seine Firmen in den USA, Kolumbien und Österreich initiieren und unterstützen seit 15 Jahren Unternehmen und Executives bei Mindset- und Kulturveränderungen. Und sie liefern!

Sebastian lehrt an verschiedenen Universitäten, Leadership, Organisationsentwicklung und Entrepreneurship in 3 Sprachen.