Trust Rocks ist mein Motto auf LinkedIn, in meiner Forschung und auch in meinem Leben. Ein Motto und ein Forschungsthema, das mich schon mehr als 20 Jahre begleitet. Man sollte also meinen, dass ich weise und evidenzbasiert berichten kann, wie wir zum Vertrauen kommen und was es uns bringt. Das Problem ist nur: die bisherige Sichtweise auf Vertrauen scheint wenig gefruchtet zu haben. Wo wir auch hinschauen – Vertrauen schwindet. Das Vertrauen in die Wirtschaft und Politik, in den Nachbarn oder die Kolleg:innen im Büro. Wir driften scheinbar immer mehr in eine Welt mit immer engeren Grenzen des «Vertrauenskreises», in der die Selbstliebe die Liebe zu Anderen immer mehr verdrängt. Eine Welt wo uns vertrauensrelevante Aspekte wie Zuverlässigkeit, Verständnis und gemeinsame Orientierung scheinbar abhandenkommen.
Vertrauen «Quo Vadis» und wie kriegen wir wieder die Kurve?
Zuallererst müssen wir unser Verständnis von Vertrauen neu definieren (oder einfach mal wieder die Klassiker lesen). Worum soll es sich handeln? Haben wir zu eng an vermeintliche Vertrauensparameter geknüpft, die in Wahrheit vor allem von der Idee des mess- und manipulierbaren geleitet sind. Vertrauen – so die Psychologen – sei der Wille sich verletzbar zu machen, weil man das Gegenüber für vertrauenswürdig hält. Hätte, hätte Fahrradkette – ist man geneigt zu sagen. Es reicht also «gewillt sein, sich auszuliefern» – und «für glaubwürdig, verlässlich, integer und wohlwollend» gehalten zu werden. So erstaunt es dann auch nicht, dass der häufig zitierte Vertrauensbarometer von Edelmann aus der Feder einer globalen PR-Agentur stammt. Man kann durch den eigenen Barometer also gleich Bedarf nach Beratung schaffen und zudem immer wieder neu reflektieren. Wie hat ein «glaubwürdiger» CEO aufzutreten, damit man ihm (oder selten auch ihr) die Glaubwürdigkeit «abnimmt»? Es reicht auch zu denken, man würde sich auf das Gegenüber (oder das Unternehmen, den Staat) einlassen. Den Beweis ist man ja bei einer Befragung (und der blossen Willensbekundung zur Verletzlichkeit) nicht schuldig.
Eine bessere und handfestere Betrachtung begreift Vertrauen als Verb und als Beziehungsvariable.
Wir müssen ins Vertrauen kommen, darum ringen, Verletzlichkeit eingehen, den Anderen ernst nehmen. Verständnis und Freundschaft zeigen, gemeinsam die Sichtweise und Einsichten des Anderen erkunden, um zu einem «ich im wir» zu finden. Vertrauen ist lebendig, ist mal mehr mal weniger vorhanden, verlangt manchmal nach Aufmerksamkeit und wenn es nicht blind machen soll, setzt es Konfliktfähigkeit und Dialog voraus. Ohne diese aktive Auseinandersetzung mit dem Gegenüber, diese Investition in Beziehungen und Vertrauen, wird ein Zusammenarbeiten und erst recht ein friedvolles Zusammenleben immer schwieriger. Ins Vertrauen kommen bedeutet also etwa zuhören, sich für das Gegenüber interessieren, gemeinsam nach Lösungen suchen. Es bedeutet auch, dass «die mächtigere Person» Verletzlichkeit wagt. Zum Beispiel mit bescheidener Haltung die eigenen Wissensgrenzen offenlegt oder ab und an einen Blick hinter die Fassade gewährt. Und aktives Vertrauen wird möglich, wenn die Organisation Menschen nicht nur als mess-, kategorisier- und punktgenau steuerbare Ressourcen begreift – sondern als «Resourceful Humans».
Uii – das ist aber anstrengend, zeitaufwendig und riskant – wird wohl ein Zwischenruf jetzt sein.
Ja, korrekt. Aber Vertrauen ohne Risiko ist nicht möglich und Investitionen sind mit Aufwänden verbunden. Lohnt sich das denn? Mein früheres, evidenzbasiertes «Ich» wäre geneigt zu rufen: ja – schau her, ich habe die Zahlen! Vertrauen senkt Kosten und erhöht die Produktivität, sowohl des Einzelnen als auch der Zusammenarbeit im Team. Aber das ist zu kurz gedacht, denn wer Vertrauen nur aufbaut, um Profite zu ermöglichen, bereitet damit unweigerlich dessen Niedergang vor. Vertrauen will nicht instrumentalisiert werden, weil es als Beziehungsvariable verstanden einen intrinsischen Wert darstellt. Wir sind soziale Wesen und unsere Fähigkeit auch Fremden zu vertrauen, hat sich über die Jahrhunderte herausgebildet. Aber um diese soziale Tugend zu erhalten und sie auch intelligent zu dosieren, müssen wir «ins Vertrauen kommen» und «Vertrauen schenken», pflegen und leben. Das beginnt im Kindesalter und setzt sich fort in unserer arbeitsfähigen Zeit.
Brauchen wir wirklich noch mehr Gründe?
Für mich ist es daher ethische Verantwortung der Unternehmen, eine Vertrauenskultur zu ermöglichen. Eine «gute» Organisation ist lebensbejahend und ermöglicht Menschen Wachstum in Gemeinschaft. Und genau dieses gemeinsame Wachsen wird von Vertrauen getragen. Ganz zu schweigen vom nicht kleinen Beitrag zu einer friedvollen Gesellschaft.
Über die Autorin
Professor Dr. Antoinette Weibel ist Ordinaria für Personalmanagement an der Universität St. Gallen (eine der zehn besten Wirtschaftsuniversitäten Europas). Seit 1. April 2016 ist sie auch Direktorin am Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten der Universität St. Gallen. Sie ist Präsidentin des Geschäftsleitenden Ausschusses des Instituts für Systemisches Management und Public Governance der Universität St.Gallen (IMP-HSG), Mitglied des Vorstandes des Instituts für Kommunikations- und Medienmanagement (MCM-HSG) und des Instituts für Wirtschaftsethik (IWE-HSG) der Universität St.Gallen. Nicht zuletzt ist sie Vorstandsmitglied der Schweizerischen Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW).
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