Im Gespräch mit Michael Pichler
Senior Psychologist und HR Projektmanager | HR Person of the year 2016

 


Was sind deine wichtigsten HR-Learnings der letzten Jahre?

Es sind in Summe sechs Entwicklungsstränge, die sich aus den letzten Jahren drei Jahren ergeben haben: Die HR hat an Bedeutung zugenommen, (Wieder)-Einstellung von Mitarbeitern, Beschleunigung der Digitalisierung durch die Pandemie, Personalentwicklungskonzepte wurden auf den Kopf gestellt, New Work & Arbeitsplatzgestaltung und Regionalität, Diversität, Inklusion & Purpose

  1. Die HR hat in den letzten zwei bis drei Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

Die HR-Verantwortlichen wurden zu „Krisenmanagern“ und sind auf Augenhöhe mit dem Top-Management angekommen. Neue Verantwortungsbereiche wurden geschaffen. Gerade bei Themen wie Kurzarbeit, Home-Office, etc. hat auch oft bei den Führungskräften das Know-How gefehlt. Diese maßgebenden Entscheidungen, die auf das gesamte operative Geschäft aller Menschen im Unternehmen Einfluss genommen haben, lagen größtenteils in der HR-Abteilung.

  1. (Wieder)-Einstellung von Mitarbeitern.

Wir sehen uns nicht nur mit einem enormen Facharbeitermangel konfrontiert, sondern einem generellen Mangel an Bewerbern. Die HR-Verantwortlichen sind hier gefordert, kreative Lösungen zu entwickeln und das Employer Branding voranzutreiben, um qualifizierte Mitarbeiter an Bord zu holen.

  1. Die Digitalisierung wurde durch die Pandemie erheblich beschleunigt.

Es ist wichtig, dass wir hier unsere Prozesse konsequent weiterhin digitalisieren – vom Bewerbungsprozess, über Onboarding – für den gesamten Lebenszyklus eines Mitarbeiters im Unternehmen. Es benötigt digitale Lösungen, die die Servicearbeit der HR-Abteilung unterstützt und hervorhebt.

  1. Unsere Personalentwicklungskonzepte oder Qualifizierungskonzepte wurden in den letzten zwei bis drei Jahren komplett auf den Kopf gestellt.

Durch die Digitalisierung und die dadurch entstandenen neuen Möglichkeiten, müssen wir Qualifizierung völlig neu denken. Dass wir heute völlig andere und neue Möglichkeiten als vor drei Jahren haben, muss sich in den Lernarchitekturen widerspiegeln. Ich sehe das alles sehr positiv und bin begeistert, welche Chancen sich daraus ergeben. Auch weil ich ursprünglich aus der Personalentwicklung komme, frohlockt mein Herz, wenn ich sehe, welche Möglichkeiten wir heute haben. Das ist aus meiner Sicht ein Eldorado für die Personalentwicklung. Die Frage sollte nicht lauten, entweder Präsenztraining oder Digitallösungen, die Zauberformel ist meiner Meinung nach das clevere Verschränken ineinander.

  1. New Work und Arbeitsplatzgestaltung

Durch die Entwicklungen der letzten Jahre müssen und werden wir unsere Arbeitswelten völlig neugestalten. Das hat großen Einfluss auf die Flexibilisierung der Arbeit, die Arbeitszeiten, den Arbeitsplatz aber auch auf die Gestaltung der Arbeitsumgebung – wie kooperiere ich in diesen neuen Settings, wie führe ich in diesen neuen Settings, welche Arbeitsmethoden und Tools wende ich hier an.

  1. Regionalität, Diversität, Inklusion & Purpose

Da hat sich sehr viel getan und das hat natürlich Auswirkungen auf die Personalarbeit quer durch den Lebenszyklus der Mitarbeiter. Eine offene und positive Unternehmenskultur, frei von Einschränkungen und Barrieren für Mitarbeiter, sollte in Zukunft keine Frage mehr sein, sondern ganz automatisch gelebt werden. Für eine Welt ohne Barrieren setzt sich zum Beispiel auch das Projekt „Zero Project“ ein

Welche HR Themen werden dich im Jahr 2023 besonders beschäftigen?

Ich spreche jetzt aus der Beratersicht, in der ich auch Projekte in Unternehmen im Personalbereich übernehme. Was mich und uns sehr stark beschäftigt ist das Finden und Binden von Mitarbeitern. Das ist das Hauptthema. Und natürlich die Integration, also das Miteinbinden von Menschen mit Behinderungen in Unternehmen und das Gestalten der neuen Arbeitswelten. Das sind die drei Hauptthemen, die mich am meisten beschäftigen. 

Was möchtest du HRlern und den Unternehmen, die du berätst, mitgeben?

Den HRlern gebe ich mit: Die Zeiten waren noch nie so spannend für unsere Arbeit, die Offenheit für unsere Themen war noch nie so gegeben wie jetzt – und zwar bei allen Beteiligten. Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir als HR die Chance nutzen, um zu zeigen, dass wir wirklich einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.

Die zweite Botschaft ist, dass wir zugleich im Fokus bleiben und uns nicht zerreißen lassen. In allen Bereichen wird von uns – der HR – etwas erwartet. Wir müssen uns fragen: Wo setzen wir Prioritäten, welchen nächsten Schritte setzen wir? Es braucht eine Roadmap, die gemeinsam mit allen Stakeholdern und auch mit dem Management entwickelt und abgestimmt wird. Damit es leichter fällt, einen Fokus zu setzen und nach einem Plan zu handeln. Denn wir dürfen uns von den Erwartungen nicht treiben lassen, sondern müssen selbst Treiber sein. Und es gilt auch, dies immer wieder einzumahnen.

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?

Arbeiten mit Menschen – das Kennenlernen vieler unterschiedlicher Charaktere, Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen, deren Lebensgeschichten kennenzulernen. Und das Formen von Menschen zu Teams, in denen sie gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten und dabei Spaß haben. Eine schönere Aufgabe kann man nicht haben.

Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu sehen, wie Menschen sich nicht unbedingt verändern, aber entwickeln. Menschen können in ihren Handlungskompetenzen reifer und selbstständiger werden – neue Aufgaben übernehmen, lernen und hineinwachsen. Das zu begleiten und ihnen auf diesem Weg andere Menschen zur Seite zu stellen, die sie in ihren Entwicklungsprozessen gut ergänzen – und einen Rahmen definieren und Settings schaffen, in denen diese Entwicklung stattfinden und vorangetrieben werden kann – was gibt’s Schöneres?

Was macht den HR Inside Summit so besonders?

Natürlich die besondere Location mit der Hofburg Vienna, aber vor allem die besonderen Menschen, die dort zusammenkommen. Und der Fokus auf Innovation.

Mit dem HR Award holen wir die Innovationen vor den Vorhang. (Anmerkung der Redaktion: Michael Pichler ist Teil der HR Award Jury.) Denn Entwicklung geht nur über Innovation.

Diese drei Komponenten, also die besondere Location, die besondere Menschen und Innovationen unterstreichen den Stellenwert der HR Arbeit und machen diesen nach außen hin sichtbar.

Es ist wichtig, dass sich gute strategische Personalarbeit einerseits im Alltag beweist aber auch immer wieder vor den Vorhang geholt wird, um deutlich zu zeigen, dass Personalarbeit ein ganz wesentlicher Faktor in der Unternehmensführung ist.

Als Abschlussfrage noch etwas Persönlicheres, was würdest du gerne noch lernen in deinem Leben?

Vieles. Die Liste ist unendlich lange und ich weiß, dass ich diese Dinge nicht alle erlernen werde, weil da müsste ich 170 Jahre alt werden. Ich gehe immer nach der Devise: „Wer glaubt etwas zu sein, hört auf etwas zu werden.“

Was würde ich gerne noch lernen wollen? Ich würde gerne Bier brauen lernen. Das ist etwas, was ich mir schon sehr lange vornehme. Und dass ich mit den neuen digitalen Möglichkeiten auch im Alter noch im Einklang stehe. Ich wünsche mir, dass ich einfach State of the art bleibe, was die technischen Alltagsmittel betrifft. Was würde ich gerne sonst noch lernen? Spanisch. Genau, das nehme ich auch noch mit. Also ihr seht, je länger ich nachdenke, desto mehr Dinge fallen mir ein. 😉

 


Über Michael Pichler:

Der Kärntner studierte Psychologie und Rechtswissenschaften, danach sammelte er Erfahrungen in der Personalberatung sowie in der Bau- und Ölindustrie.

Er arbeitete einige Jahre bei der Alpine Group als Head of Human Recruiting & HR Development sowie als Head of Human Resources. Weiters konnte er einige wertvolle Erfahrungen als Leiter des Konzernpersonalwesen bei der bauMax AG sammeln. Von 2016 bis 2017 war er als Head of HR/AUT bei der OBI Bau- und Heimwerkermärkte Systemzentrale GmbH tätig.

Michael ist seit über 20 Jahren in der HR Branche tätig, seit Anfang 2018 unterstützt und verstärkt er die gemeinnützige Initiative „Zero Project“ der Essl Foundation, bei der es darum geht, Barrieren bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung abzubauen und die Offenheit für dieses Thema bei Unternehmen zu erhöhen.


 

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