Im Gespräch mit Michael Radike
HR IT Strategie und Transformation / Österreichische Bundesbahnen (ÖBB)
Was sind deine wichtigsten HR-Learning der letzten Jahre?
- Es geht doch, auch wenn wir’s nicht geglaubt haben.
Das, was sich in der letzten Zeit getan hat – und da rede ich jetzt nicht ausschließlich nur von HR – ist eine dramatische Änderung im Rückblick auf die letzten 25-30 Jahre. Vor allem das Thema „Präsenz am Arbeitsplatz“ und die damit verbundene unmittelbare Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiter-Kontrolle sowie die technischen Möglichkeiten, die es mittlerweile in voller Breite gibt.
- Fachkräftemangel
Wir reden seit Jahren darüber, dass es ihn geben wird. Er ist inzwischen auch schon da. Das ist eine große Herausforderung, der wir uns jetzt und in Zukunft stellen müssen. Nicht nur die ÖBB, sondern der Arbeitsmarkt wird davon betroffen sein.
- Veränderung der Anforderungen, Bedürfnisse und Wünsche neuer Mitarbeiter:innen
Teilweise etablierte und arrivierte Organisationsstrukturen und Personen kommen mit diesen Veränderungen nicht mehr ganz mit. Dieser Gap, welcher das Verständnis zwischen den zwei Gruppen betrifft, wird immer größer. Ich denke, dass wir im Sinne der Integration von neuen Mitarbeiter:innen ein Auge darauf haben müssen, halbwegs ähnliche Sprachen zu sprechen, damit wir uns auch weiterhin verstehen.
Beziehst du die neuen Anforderungen beispielweise auch auf die sogenannte „Work Life Balance“?
Nicht nur. Das fängt schon bei dem „Why“ an: Anders arbeiten, andere Strukturen, weniger Hierarchien, Selbstbestimmung, Selbstverwaltung, freieres Arbeiten generell. Mit der Generation Z stehen wir jetzt auch vor der Herausforderung, dass sich das Mindset geändert hat, die Verschiebung von Prioritäten im Leben, zumindest im Heute und in dem Lebensabschnitt, in dem sie sich gerade befinden.
Da sind wir jetzt schon ein bisschen eingestiegen in das nächste Thema: Welche HR Themen werden dich bzw. dein Unternehmen im Jahr 2023 besonders beschäftigen?
Uns beschäftigt vor allem die Harmonisierung und Standardisierung von Personalarbeit im ÖBB-Konzern. Es geht von dezentralen Strukturen hin zur Zentralisierung von unternehmensweiten gleichen Themen. Des Weiteren natürlich auch die HR-Digitalisierung, also die Standardisierung von HR IT-Systemen, auf Basis von unternehmensweiten Prozessen. Und das „Mega-Thema“ ist Personalbeschaffung und Generationenwechsel. Wir werden in den nächsten wenigen Jahren 12.000 neue Mitarbeiter:innen anstellen, weil ein Großteil der jetzigen Mitarbeiter:innen in den wohlverdienten Ruhestand gehen wird.
Wir werden nicht alle MA nachbesetzen müssen. Da spielt die Digitalisierung mit hinein. Es wird trotzdem eine echte Challenge, die Personalbeschaffung in den nächsten Jahren sicherzustellen, nämlich so zeitgerecht, dass wir auch einen entsprechenden Wissenstransfer von den Profis mit der langjährigen Berufserfahrung zu den Neueinsteiger:innen sicherstellen können.
Was würdest du HR Manager:innen und Mitarbeiter:innen mitgeben?
Ich versuche es so zu formulieren: Eine solide Arbeitsbasis zu haben – rechtlich, prozessual, systemisch – ist wichtig. Und von der Basis aus mutig zu sein, zu experimentieren, ausprobieren, Fehler zu akzeptieren, aus Fehlern zu lernen und wieder neu zu probieren. Wir werden uns in den nächsten Jahren als HR-Community noch deutlich weiterentwickeln müssen, um den Weg erfolgreich gehen zu können. Alle miteinander, das trifft uns in der gesamten HR-Branche. Wir müssen das zulassen, wir müssen es forcieren.
Dieses Stichwort „agiles Arbeiten“ mag ich in dem Zusammenhang nicht ganz so gerne. Das würde nämlich suggerieren, dass bisher nicht „gescheit“ gearbeitet wurde, dass keine Bewegung, keine Energie in der Arbeit gesteckt haben. Dass sehe ich nicht. Es hat sich einfach vieles getan und vieles verändert. Für mich ist ein großer Unterschied, dass man nicht, wie es früher war, eins nach dem anderen macht, sondern dass viele Dinge parallel laufen müssen. Es ist Zeit, zu versuchen, Dinge anders zu machen – wenn etwas gut läuft, dann kann man das weiterentwickeln. Und wenn etwas nicht so gut läuft, geht man zurück zum Ausgangspunkt und probiert es auf andere Art und Weise. Diesen Mut würde ich den Leuten gerne mitgeben wollen.
Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Eine schier unendliche Themenvielfalt. Jeden Tag etwas Neues, jeden Tag etwas Anderes. Zusammen mit der Notwendigkeit, mit ganz vielen unterschiedlichen Kolleg:innen, von den Vorstandsetagen bis zu den operativen Mitarbeiter:innen, nicht nur im HR, sondern im gesamten Unternehmen, zusammen arbeiten zu können.
Das Wichtige ist, immer versuchen zu verstehen, wo die Problempunkte sind und ein Netzwerk zu knüpfen, um gemeinsam an dieser Problemlösung zu arbeiten. In den wenigsten Fällen wird eine Person alleine ein Problem lösen können, denn wenn dem so wäre, wäre das Problem schon gelöst. Meistens liegt es an komplexeren oder komplizierteren Dingen. Ich sehe mich da als Drehscheibe. Und ich hole die unterschiedlichen Menschen, die einen Beitrag leisten können, an einen Tisch, um zusammen zu arbeiten und in den unterschiedlichen Themen weiterzukommen. Das macht eigentlich am meisten Spaß.
Was macht den HR Inside Summit so besonders?
Das eine ist, dass der HR Inside Summit im Oktober eine große Plattform bietet, wo sich die Branche hochrangig und in intensiven und spezifischen Settings austauschen kann. Und das trotzdem in angenehmer, lockerer Atmosphäre in der wunderschönen Hofburg Vienna.
Und die Summer Edition im Schloss Laxenburg hat den USP, dass du dort die Möglichkeit hast, anders zusammenzutreffen, nämlich Outdoor. Das macht es möglich, auf noch entspanntere Art und Weise dieselben Themen besprechen zu können, wie im Herbst. Es fühlt sich einfach anders an in Laxenburg. Die Besonderheit ist auch, dass es sehr viele hochkarätige Referent:innen und Workshop Leitungen gibt, die komprimiert und in kurzer Zeit für eine große Bandbreite an HR Themen zur Verfügung stehen.
Jetzt zur letzten und etwas persönlicheren Frage: Was würdest du in Zukunft gerne noch lernen?
Ich will noch so viel lernen, weil ich der Meinung bin, ich kann gar nicht so viel. Das meine ich ganz ernst. Ich kann nichts wirklich gut, außer das, was ich tue: Menschen zusammenbringen, networken und mein Wissen aus unterschiedlichen Bereichen sowie das Wissen von unterschiedlichen Menschen zusammenbringen.
Also, was würde ich gerne lernen? Ich würde gerne meine handwerklichen Fähigkeiten ausbauen und auf jeden Fall noch viel mehr reisen! Ich war in Neuseeland bei den Māori (Angehörigen der indigenen Bevölkerung Neuseelands) und finde die Kultur und Kunst faszinierend. Den traditionellen Haka-Tanz würde ich gerne noch lernen und tiefer in die Geschichte Neuseelands eintauchen.
Über Michael Radike
Michael Radike arbeitet seit 2018 bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Nach dem Start als Programmleiter für HR Digitalisierung beim Business Competence Center (BCC) wechselte er 2021 in die ÖBB Holding AG, um dort im Strategischen Personalmanagement konzernweit die Themen HR IT Strategie und Transformation zu übernehmen. Die Hauptaufgaben sind dabei unternehmensweit moderne und effiziente Personalprozesse durch branchenübliche State-of-the–Art Lösungen zu unterstützen und die Digitalisierung weiterzutreiben.
Die ersten Schritte der Digitalisierung im HR Bereich machte der promovierte Physiker als Leiter eHR (Electronic Human Resources) bei max.mobil. / T-Mobile, nunmehr Magenta.
Andere Beiträge unserer HR ADVISORY BOARD Member findet ihr hier: BLOG
Ich finde den Beitrag sehr informativ und wichtig, da der Fachkräftemangel ein großes Problem in vielen Branchen darstellt. Es ist gut zu sehen, dass darauf aufmerksam gemacht wird und Lösungsansätze diskutiert werden. Es ist entscheidend, dass Arbeitgeber und Regierungen gemeinsam daran arbeiten, um den Mangel an qualifizierten Fachkräften zu beheben und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und der Wirtschaft insgesamt zu erhalten.