Innovation gewünscht

Intrapreneurship ist die Kunst, innerhalb eines Unternehmens als Entrepreneur aufzutreten. Das Gallup Institut untersucht seit Jahren das Mitarbeiterengagement in Unternehmen weltweit. Als engagierte und motivierte Mitarbeiter werden jene bezeichnet, die das Unternehmen weiterbringen, die über sich hinausgehen und mehr tun, als ihnen aufgetragen wurde. Davon gibt es in deutschen Unternehmen gerade mal 15 Prozent, in Österreich 14 Prozent und in der Schweiz 16 Prozent. 70 Prozent der deutschen Mitarbeiter machen Dienst nach Vorschrift und 15 Prozent haben innerlich gekündigt. Gallup schätzt, dass deshalb der deutschen Wirtschaft jährlich zwischen 73 und 95 Milliarden Euro an Kosten entstehen.

Während Formalitäten und Prozesse die Skalierbarkeit und Produktivität erhöhen und erst ermöglichen, behindern dieselbe Innovation. Diese geschieht oft wenig strukturiert, scheint zufällig, auf riskante Weise und wenig kontrollierbar. Innovation kann deshalb nicht mit klassischen Methoden ‚gemanagt’ werden. Ein Intrapreneur, der eine Idee zu einem Produkt oder einer Dienstleistung hat, muss Prozesse und Abteilungsgrenzen umgehen dürfen, ohne mit negativen Konsequenzen zu rechnen. Was wir brauchen, ist ein Wechsel vom ‚Organisationsmitarbeiter’ zum ,Unorganisationsmitarbeiter’.

Was sind Intrapreneure?

Für Intrapreneure gelten viele der Regeln, die wir von Start-up- Gründern kennen. Beide sind intrinsisch (von innen heraus) motiviert. Geld und andere extrinsische Motivationsfaktoren spielen eine untergeordnete Rolle. Und beide glauben wirklich an ihre Ideen und müssen sich dafür ein Budget und Unterstützung verschaffen.

Sie unterscheiden sich allerdings auch in einigen Aspekten. Intrapreneure haben ein Gehalt und riskieren maximal ihren Job, nicht aber Haus und Hof, sollten sie scheitern. Haben sie Erfolg, erhalten sie im besten Fall einen Bonus, während ein Start-up-Gründer bei Erfolg sehr viel Geld machen kann. Intrapreneure müssen des Weiteren die firmeninternen Netzwerke und Machtstrukturen kennen, um ihre Projekte voranzubringen. Auch fällt es Intrapreneuren schwerer, frühzeitig mit Kunden in Kontakt zu treten, um Feedback zu erhalten, weil interne Paranoia sie oft davon abhält, Kunden zu belästigen, frühzeitig unreife Produkte zu zeigen und laufende Verkaufsgespräche durch unfertige Produktentwürfe zu torpedieren.

Wie verhindern Recruiter Innovation?

Tatsache ist, dass Unternehmen mehr von diesem Menschenschlag benötigen. Und da sind das Management und das Personalwesen gefragt. Ehemalige Start-up-Gründer, die auf Jobsuche sind, können geeignete Kandidaten sein, um mit ihrer Dynamik neuen Schwung ins Unternehmen zu bringen. Das erfordert aber eine Anpassung der Strukturen, und die beginnt beim Einstellungsprozess. Bei der Einstellung werden diese Fähigkeiten meist nicht berücksichtigt, man verlässt sich zu sehr auf Diplome und eingefahrene Wege. Wenn ein Bewerbungsformular in der Kategorie ‚Berufserfahrung’ Start-up oder CEO auslässt, dann braucht man sich nicht wundern, wenn für eine Innovationsmanage- mentstelle wieder nur ‚Organisationsmenschen’ und keine Innovatoren oder Intrapreneure eingestellt werden.

Ali Mahlodji, Gründer der Videoplattform Whatchado, ist so ein Paradebeispiel. Als Schulabbrecher hatte er vierzig unterschiedliche Jobs, bis er seine Berufung fand, Start-up-Gründer wurde und damit seine Berufung fand. Theodore Agranat ist ein anderes Beispiel. In Russland geboren, in Wien aufgewachsen und an der Stubenbastei ins Gymnasium gegangen, verliess er dieses mit 15 Jahren und machte sich mit 17 in die USA auf. Dort schlug er sich mit kleinen Jobs durch, bis er seine erste IT-Firme aufbaute und verkaufen konnte. Dies wiederholte er mit seiner zweiten Firma und ist seither Seriengründer. Abgesehen davon, dass er in Österreich diese Chancen nicht gehabt hätte, verkörpert er diesen untypischen Typus an erfolgreichen Unternehmer, der innovative Ideen aufgreift und weiterbringt.

Diese beiden hätten keine Chance in einem traditionellen Unternehmen aufgrund ihrer unkonventionellen Lebensläufe. Doch sind deren Fähigkeiten auszuprobieren und keine Angst vor dem Scheitern zu haben dringend benötigt in Unternehmen, die immer mehr unter Druck geraten. Innovation kann von überall her kommen und von heute auf morgen das Kerngeschäft zerstören. Nokia, Kodak, Hotels, Taxis, und jetzt die Automobilindustrie können ein Lied davon singen.

Deshalb müssen sich die Personalabteilung die Recruiter ebenso anpassen und lange bewährte Methoden Kandidaten zu finden überdenken. Unkonventionelle Zeiten erfordern unkonventionelle Methoden. Silicon-Valley-Unternehmen wie Google oder Facebook sind davon abgegangen, rein auf Abschlüsse und Zeugnisse zu schauen. Die datengetriebenen Personalabteilungen konnten keinen Zusammenhang zwischen Noten, der Universität und der zukünftigen Leistung des Bewerbers finden. Viel aussagekräftiger waren andere Faktoren, wie die Leidenschaft, und Interessen die die Motivation des Kandidaten zeigten.

Um als Recruiter seine Klienten mit den richtigen Kandidaten zu bedienen und für Innovation fit zu machen, müssen auch sie innovativ denken und neue Wege ausprobieren. Und das kann bedeuten, dass man ein Risiko eingeht und Kandidaten mit atypischen Erfahrungsprofilen gezielt sucht. Im Schulabbrecher mit Gelegenheitsjobs kann sich der nächste Ali oder Theodore verbergen, oder der Steve Jobs. Und wie diese Geschichte ausging, bewundern wir noch heute alle.

Über den Autor:

Dr. Mario Herger ist der CEO von Enterprise Garage Consultancy und lebt seit 2001 im Silicon Valley. Der langjährige SAP-Entwicklungsleiter und Innovationsstratege berät Unternehmen, wie sie den innovativen und entrepreneurischen Spirit aus dem Silicon Valley auf ihre Organisationen übertragen können.

Übrigens, im März 2016 erschien sein neuestes Buch „Das Silicon Valley Mindset“. Alle Informationen zu Dr. Mario Herger gibt es hier. Dr. Mario Herger wird sich auch am 12. April 2016 beim CIO Inside Summit in Spielberg im Rahmen eines Workshops mit dem Thema „Das Mindset des Silicon Valley und wie wir in Österreich davon profitieren können“ befassen.

 

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