Wie wird sich der Arbeitsmarkt bzw. die Art, wie Menschen künftig zusammenarbeiten werden, in den nächsten fünf, zehn oder zwanzig Jahren verändern?

Ein Blick in die Zukunft

Da keiner von uns in die Zukunft schauen kann, lassen Sie uns mit den Dingen beginnen, die wir bereits wissen: Die Welt von heute verändert sich viel schneller, als sie es noch vor zehn, fünfzig oder hundert Jahren getan hat. Würde man die menschliche (und technologische) Entwicklung in einer Kurve darstellen würde diese in etwa so aussehen:

Bloggraphik

(Anmerkung: Wir befinden uns derzeit innerhalb des kleinen Kreises.)

Für alle Leser, die von dieser Darstellung nicht überzeugt sind, hier ein kleines Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Zeitmaschine, könnten ins Jahr 1750 reisen und jemanden mit ins 21. Jahrhundert nehmen. Wie würde diese Person auf unsere Welt reagieren? (Anmerkung: Benjamin Franklin hat den Blitzableiter 1752 erfunden.)

Nehmen wir nun an, dass Ihr Gast so begeistert von den Eindrücken unserer Welt ist, dass er dasselbe tun will und jemanden aus dem Jahr 1500 zu sich ins Jahr 1750 bringt. Wie beeindruckt denken Sie wäre diese Person von Blitzableitern, Thermometern oder Dampfmotoren (alles Erfindungen des frühen 18 Jahrhunderts) im Vergleich zur Ihrem Gast, dem Sie Raumschiffe, das Internet und Smartphones gezeigt haben?

Damit die Person aus 1750 jemand anderem ein Erlebnis bescheren könnte, das annähernd vergleichbar mit ihren Erfahrungen ist, müsste sie wahrscheinlich ins Jahr 16.000 v.Chr. reisen, kurz bevor sich Menschen niederließen und Städte gründeten.

Wir wissen also, dass die menschliche Entwicklung exponentiell und nicht linear passiert und wir dementsprechend kaum vorhersagen können, wohin die Reise geht. Es gibt jedoch ein paar Faktoren, die einen kleinen Blick in die Zukunft ermöglichen:

1. Migration steigt weltweit

Globalisierung, Digitalisierung, sinkende Mobilitätskosten und starkes Bevölkerungs­wachstum in politisch unstabilen Regionen der Erde (z.B. MENA-Region) führen zu immer mehr Migration auf globaler Ebene. Zwischen 2000 und 2015 ist die Zahl von MigrantInnen global beispielsweise um 41% gestiegen. In Österreich selbst leben aktuell 1,8 Millionen MigrantInnen, mit anderen Worten: jeder 5. in Österreich lebende Mensch hat Migrationshintergrund. 2015 spiegelte sich dieser Trend in einer Nettozuwanderung (mit Berücksichtigung von Abwanderungen) von 113.100 Menschen wieder.

2. Demographische Entwicklung bringt neue Herausforderungen

Der Trend zur Migration wird vor allem in Europa durch die schwachen Geburtenraten der letzten Jahrzehnte in vielen Ländern – insbesondere in Österreich – verstärkt. Der demographische Wandel wird zur Herausforderung, denn unabhängig davon, wie man zu Zuwanderung steht, ist klar: Will man verhindern, dass die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre) bis 2050 von aktuell 5,7 Millionen auf 4,1 Millionen schrumpft, brauchen wir eine jährliche Nettozuwanderung von rund 50.000 Menschen.

3. Unser Bildungssystem aus der industriellen Revolution

Doch damit nicht genug, unser Ausbildungssystem hat sich seit der industriellen Revolution kaum verändert. Wir unterrichten unsere Kinder also im Wesentlichen mit dem gleichen System, dass für eine Welt geschaffen wurde, die von Dampfmaschinen und Webstühlen dominiert wurde und nicht für die Erfordernisse der digitalisierten, globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts. Unser rigides Bildungssystem ist mit ein Grund dafür, dass es für viele PersonalistInnen in verschiedensten Branchen bereits heute eine große Herausforderung ist, passende KandidatInnen für offene Stellen zu finden (z.B. IT, Fachkräfte)

4. „The Gig Economy“ – wie Digitalisierung den Arbeitsmarkt auf den Kopf stellen wird

Wenn man sich ansieht, welche Auswirkungen Technologisierung bereits jetzt auf den Arbeitsmarkt hat, wird klar, wieso der sogenannten „Gig Economy“ (gemeint ist ein Arbeitsmarkt, der sich durch die Prävalenz von kurzfristigen Verträgen und freiberuflicher Arbeit, im Gegensatz zu dauerhaften Arbeitsplätzen, kennzeichnet) so viel Potential zugeschrie­ben wird. Technologischer Fortschritt bedeutet nicht nur, dass sich die Werkzeuge ändern, mit denen wir unsere Arbeit erledigen. Technologischer Fortschritt bedeutet auch, dass sich die Art verändert, wie wir Unternehmen aufbauen, strukturieren und leiten. Vor allem folgende Faktoren werden dazu führen, dass sich herkömmliche Unterneh­mens­strukturen und Arbeitnehmermodelle von Grund auf ändern werden:

1.      Online-Management von ArbeitDas Unternehmen „Automattic“ (Mutter von „Wordpress“) beschäftigt rund 450 MitarbeiterInnen in 45 Ländern, hat herkömmliche hierarchische Strukturen und Arbeitsmodelle komplett abgeschafft und ist damit sehr erfolgreich: Neben einer Unternehmensbewertung von über 1 Milliarde Dollar nützen ca. 25% aller Websites Automattic Plattformen. Auch die MitarbeiterInnen unseres Unternehmens – Refugeeswork.at – erledigen ihre Arbeit nahezu 100% online: Projektmanagement, Sales & CRM, interne Kommunikation, Weiterbildungen basieren allesamt auf der Grundlage von digitalen Diensten, seit unserer Gründung Anfang 2016 haben wir kein einziges Stück Papier gekauft oder gedruckt (mit Ausnahmen von Post-Ist für kreative Problemlösungsprozesse).

2.      On-Demand Jobplattformen: Die weltweit führende Onlineplattform für Freelancer („Upwork“) zählt nicht nur bereits 100 der „Fortune 500 Companies“ zu Ihren Kunden, sondern verwaltet jährlich über 3 Millionen Job „Posts“ und über 1 Milliarde Dollar an Einnahmen, der Freelancer die auf Ihrer Plattform Arbeit suchen. Bereits jetzt sind 35% aller amerikanischen Arbeitskräfte „Freelancer“.  Accenture prophezeit in ihrem „Workforce Market Place Report 2017”, dass digitale (On-demand) Marktplätze, traditionelle Unternehmensstrukturen und Management Modelle bis 2022 abgelöst werden und sich unsere Ansicht zu Vollzeit-Anstellungsmodellen vs. Freelancern um 180 Grad drehen werden.

… und hier reden wir noch nicht einmal über die Veränderungen, die sich durch die Entwicklung von „Artificial Intelligence“ ergeben werden.

Conclusio: Diversität wird steigen – dank (digitaler) Migration

Die Zukunft wird also nicht nur ein Mehr an Migration bringen, sondern auch dazu führen, dass Teams aus Arbeitskräften bestehen, die sich in unterschiedlichen Ländern befinden. Je früher Unternehmen also neue Formen der Zusammenarbeit testen und Erfahrungen mit „cross-functional“ und „cross-cultural“ Teams sammeln, desto besser werden Sie die Potentiale, die Migrationsbewegungen sowie die voranschreitende Technologisierung unserer Arbeitswelt mit sich bringen, monetarisieren können.

Über den Autor

Mag. Dominik Beron studierte Rechtswissenschaften in Wien und Amsterdam. Er arbeitete in mehreren intern. Anwaltskanzleien in den Bereichen Gesellschaftsrecht und M&A und war in Förderprogrammen von BCG und McKinsey. 2015 gründete er sein erstes Sozialunternehmen „Alltagshelden“ („Onlineplattform für Freiwilligenarbeit). 2016 gründete er „Refugeeswork.at“ (Jobplattform für Geflüchtete) und „Kooperate“ (einer Consultingfirma im HR-Bereich). Er hat verschieden Auszeichnungen erhalten u.a. „Forbes 30 under 30“ in der Kategorie Social Entrepreneurship.

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