Wir kennen die Akronyme oder haben sie bereits des Öfteren gelesen: VUCA  (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) und BANI (brittle, anxious, non-linear, incomprehensible). Wer sich tiefer auf diese Materie einlässt, hat sicherlich auch den Begriff „psychologische Sicherheit“ gestreift. Und genau an diesem Punkt setzt innerhalb einer Organisation die Unternehmenskultur an. Als Anker und Identifikations-Nährboden für Mitarbeitende. Doch was genau verbirgt sich dahinter?

Warum Menschen Verbindlichkeit brauchen.

Aufgrund des stetigen Wandels begegnen uns Menschen laufend Herausforderungen. Dank unserer Einzigartigkeit gehen wir stets unterschiedlich damit um.  Doch eines eint uns alle: Wir brauchen Sicherheit, um wirksam werden zu können. Die Ausprägung ist dahingehend natürlich individuell. Allerdings liegt diese Tatsache unumstritten vor und ist evolutionspsychologisch begründet, auch wenn sie unterschiedlich zum Vorschein kommt. Seit unserer Existenz passen wir uns an Umweltbedingungen an, brauchen jedoch Rückhalt und Zufluchtsorte.

Hier setzt das organisationale Konzept der psychologischen Sicherheit an – dies umfasst neben einer guten Teamatmosphäre ebenso Vertrauen, Unterstützung, zwischenmenschlichen Halt und freiheitliche Entscheidungsfähigkeit, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Es geht also darum, ein Klima ohne Angst und für Selbstwirksamkeit zu schaffen. Wie kann dieses Streben des Individuums in der Unternehmenskultur eingebettet werden?

Warum es Klarheit im Unternehmen braucht

Deine Unternehmenskultur besteht aus diversen Faktoren, die ineinandergreifen: Einerseits sind es Systeme, Strukturen, Strategien, Image, Leitbilder oder die eigens definierte Mission – auch bekannt als “hard facts“. Hinzu kommen jedoch die wesentlich entscheidenderen Elemente: Menschen, Fähigkeiten, Potenziale und Visionen – auch bekannt als „soft facts“. Visualisiert man dies als Eisberg, erkennt man oberhalb der Wasserlinie die harten Faktoren auf den ersten Blick.

Doch darunter verbergen sich neben den soften Facetten noch weitere Stellschrauben der Unternehmenskultur: Wir sprechen hier von Normen, Gefühlen, Werten, Grundbedürfnissen und Beziehungen. Bereits Edward T. Hall hat sich in den 1970er Jahren damit intensiv beschäftigt.  Hinterfrage also einen essenziellen Aspekt: Kennst du die Narrative deines Unternehmens – extern doch insbesondere innerhalb deiner Organisation? Was sagen deine Mitarbeitenden über Zusammenarbeit, Zufriedenheit und Weiterempfehlung? Ist allen klar, was das „Wofür“ ihres Wirkens ist und manifestiert  das täglichen Verhalten dieses „Wofür“ auch?  Nur, wenn du das Ohr auf die Schiene des organisationalen Alltagsgeschehen legst, kannst du authentische Ableitungen treffen und so die Unternehmenskultur besser ausformen.

Klar ist außerdem: eine Kultur hat nie ein Ende, sie entwickelt sich stetig weiter, da sich die Menschen fortlaufend verändern. Das ist gut so. Denn wenn Menschen Flexibilität, gedankliche Elastizität und Veränderungsbereitschaft zeigen sollen, müssen dies Unternehmen und deren kulturelles Selbstverständnis erst recht vorleben. Ist dieses gegenseitige Commitment zwischen Mensch und Unternehmen existent, entsteht ein Zustand der authentischen Passung.

Cultural Fit ist hier der gängige Begriff im Kontext der Unternehmenskultur. Wobei auch ein Cultural Ad seinen Charme hat – denn fortschrittliche Organisationen sollten sich laufend selbst dahingehend prüfen, wie hoch der tatsächlich förderliche Heterogenitätsgrad in der Belegschaft ist. Am Rande sei erwähnt: Diversität ist ein empirisch nachgewiesener Erfolgshebel.

Warum Unternehmenskultur ein Entscheidungsfaktor ist.

Zurück zur Kultur: Die Unternehmenskultur einer Organisation erwächst aus einem gemeinsamen Wertesystem, welches sich aus dem Miteinander der Belegschaft zusammensetzt. Sie bildet die DNA und den unverwechselbaren Charakter eines Arbeitgebenden. Sie zieht Menschen an (Aufmerksamkeit und Gravitation), etabliert diese nach Eintritt und bindet sie letztendlich langfristig (Identifikation). Was hat dies mit unserer Unternehmenslandschaft zu tun? Nun, der Kreis schließt sich: Wir reden seit Jahren von Fachkräftemangel, Arbeitnehmenden-Markt, Quiet Quitting, hohen Fluktuationsquoten oder stetigen Arbeitsplatzwechseln.

Das kostet zum einen ökonomisch betrachtet unfassbar viel Geld und lähmt unsere Wirtschaft. Zum anderen macht dieser Zustand vor allem etwas mit uns Menschen: Sie oder er fühlt sich nicht wahrgenommen, angekommen, wertgeschätzt, integriert. So fehlt die Orientierung: Mit welchem Unternehmen und speziell Unternehmenswerten kann ich mich identifizieren, wo darf „ich ich sein“ und nach meinen Potenzialen so handeln, dass ein weitegehend dauerhafter Zustand der Zufriedenheit entsteht?

Bloß: Wenn das Unternehmen selbst die eigene Identität nicht kennt, wie sollen es dann (zukünftige) Mitarbeitende?

Demnach das Fazit: Die Unternehmenskultur ist das Herz, das das organisationale Bewusstsein für das Miteinander schafft und so individuelle Sicherheit gibt. Sie ist es wert, gesehen und gepflegt zu werden.

Über die Autorinnen
Unternehmenskultur
Arina Zonner

Bankkauffrau, Wirtschaftsjuristin und Wirtschaftspsychologin. Nun Leiterin des Bereichs HR-Strategie & Kultur der UmweltBank AG. Sie kennt seit gut zwei Jahrzehnten die Bankenbranche, das HR- sowie Beratungsumfeld. Dabei brennt ihr Herz für alle personalrelevanten Themen der Zukunft, Vielfalt und lebenslanges Lernen. Sie ist eine engagierte, sowohl digitale als auch analoge Netzwerkerin und war bereits bei zahlreichen Events sowie Podcastfolgen als Speakerin bzw. Gästin aktiv.

Unternehmenskultur
Sarah Herz

Betriebswirtin und Wirtschaftspsychologin. Seit 2019 Head of HR bei der UmweltBank AG. Erfahrung in den klassischen HR-Disziplinen, HR-Strategie und Change-Management. Sowohl im Konzern als auch im Mittelstand. Sie ist Fan von allen Themen rund um die HR-Strategie, HR-Funktionsstrategie und strategische Kommunikation. Ihr Herzensthema ist vor allem female leadership und entsprechende Rollentransformation von Müttern und Vätern.